Umarme dich ganz

Die Geschichte der zwei Wölfe in meinen Worten & weitergewebt

“Einst saß, in der nahenden Dämmerung eines wunderschönen Sommerabends, ein weiser betagter Indianer mit seinem kleinen Enkel beisammen.

Sie blickten versonnen in das hell & friedlich vor sich hin tanzende Licht des Lagerfeuers, das sie beide gerade entzündet hatten. Die untergehende Sonne hüllte alles - in eine ganz besondere - Atmosphäre der Geborgenheit ein.

Plötzlich, schob sich die Stimme des Großvaters in den warmen Raum. Ganz sachte, ganz vorsichtig & sprach:

mein geliebtes Kind, ich möchte dir etwas ganz wertvolles wichtiges erzählen:

In einem jeden Menschen leben zwei Wölfe. Jedenfalls haben wir, die Cherokee, den Stimmen in uns, die Form von Wölfen gegeben. Nun lausche gut hin.

Der eine Wolf, hat eine weiße Farbe - wie Balsam schimmert sein Fell im Licht der Sonne & im Schein des Mondes.

Der andere eine tiefschwarze. Vor dem Sonnenlicht bleibt er meist verborgen & bei Nacht verschmilzt er förmlich mit ihrer Dunkelheit.

Beide werden zu dir sprechen & es ist wichtig – sehr wichtig - für dich, hinzuspüren, wer von beiden zu dir spricht.

Der Großvater atmete tief ein. Ganz ruhig & sein Blick huschte kurz, kaum merklich über das Gesicht des kleinen Jungen.

 „Der weiße, der Wolf mit dem balsamartigen Fell, hört sich so vertraut -  wie Zuhause - an. Seine Stimme klingt ruhig, Seine Stimme fühlt sich sanft an. Er erzählt dir wunderschöne Geschichten, vom Leben, von dir. Die Wahrheit, über die Liebe & noch so viel mehr. Wer du wirklich bist & wie behütet, geführt, genährt & vollkommen. All das & wie wertvoll du bist - einfach, weil du bist -. Er malt dir Bilder, von deinen Träumen.

 „Der schwarze Wolf, dessen Stimme du zumeist in deinem Kopf vernehmen wirst, erzählt dir etwas von Eifersucht, Mangel, Minderwertigkeit & vielleicht auch Schuld. Möglicherweise auch, was du darfst & was nicht. Wie du sein sollst & wie nicht. All das, was dich zweifeln lässt, dir unsichere Gedanken & Gefühle macht, obwohl dein Herz eine ganz andere - deine - Wahrheit spricht.

Beide Geschichten können wahr werden.“

Nun wurde es still zwischen den beiden.

Der Großvater las im Gesicht des kleinen Kindes, die Überlegungen in seinem Inneren. Er gab ihm Raum, bis er von selbst begann zu sprechen.

„Großvater, begann er zaghaft, ganz vorsichtig.“

Er schien sich nicht sicher zu sein, ob er die Antwort, auf die Frage - die er vorhatte zu stellen - überhaupt wissen wollte.

 Er stockte kurz & dann purzelten sie heraus:

„Welcher Wolf bekommt geglaubt. Großvater welche, welche Geschichte wird denn auch wahr?“

Regungslos abwartend blickte er in das wärmende, knisternde Feuer. Fast so, als hätte er das am liebsten gar nicht gefragt.

 Voller liebendem, mitfühlendem Verständnis, sprach nun wieder der Großvater:

„Schau mich einmal an mein kleiner Mann. Die Geschichte des Wolfes die  wahr wird, ist die, die DU belebst. Die, an die DU glaubst – während du in deinem Herzen erspürst - wer wer & die wirkliche Wahrheit ist. Denn das, was die Wahrheit ist, ist, wie in jedem von uns, bereits schon in dir.

 Irgendwie beruhigte den Kleinen das gesagte, doch irgendetwas wiederrum beunruhigte ihn.

„Also:“,

begann er erneut zu sprechen:

“ Aaalso, wenn ich da so drüber rein spüre - ist das doch irgendwie, naja, also, dann ist doch der schwarze Wolf bestimmt traurig oder so. Er ist doch dann irgendwie alleine oder so? Weil er Sachen sagt die einfach nicht schön sind & so wie du sagst ja auch gar nicht stimmen & ihn dann bestimmt jeder wegschicken möchte.

Großvater, können wir das nicht vielleicht ganz, ganz ganz anders machen?

Bestimmt war der schwarze Wolf einmal irgendwie so, wie der weiße Wolf.

Vie- llei-heicht, hat ihn einfach jemand zu doll geärgert, ihn ganz doll verletzt. Ihm selbst diese ganzen schrecklichen Sachen erzählt & er hat sie irgendwann geglaubt. So doll, dass er sie einfach für die Wahrheit gehalten hat & sie dann jedem erzählt. Vielleicht konnte er gar nichts anderes als dann auch so komisch zu sein – vielleicht auch – um sich zu schützen damit er nicht nochmal wieder verletzt wird oder sowas & - ach Großvater.“

Er seufzte tief.

“Großvater, wollen wir ihn nicht einfach wieder weiß lieben?“

Der Großvater war berührt. So sehr, wie es Worte nicht zu beschreiben vermögen. Aus dem Kleinen sprach sooo viel Liebe, sooo viel Mitgefühl, wie es ein – reines - Herz nur aussprechen kann. Das Herz, eines noch unbeschriebenen Kindes.

&

das Einzigste, was der Großvater noch herausbrachte, in genau diesem Moment:

„Ja mein Sohn, das können wir.“

So geschah es, dass der schwarze Wolf - einem Jeden, der bereit war – wirklich bereit – ihn wirklich zu sehen, ihm zuzuhören, ihn zu verstehen…

genau das erzählte, was dazu geführt hatte, dass er pechschwarz wurde.

Warum das passierte & was er gebraucht hätte, um niemals so dunkel, nahezu unsichtbar zu werden, auch & gerade vor sich selbst. Er erzählte von allem… seiner Traurigkeit, Einsamkeit, Verzweiflung & Angst…  

&

schon während er erzählte - begann es - kaum merklich, ganz sacht, immer heller, aus seinem tiefsten Inneren, wieder zu leuchten. Er begann wieder zu leuchten.

 Ja, seine Farbe blieb - samtig schwarz - doch sein inneres Licht leuchtete wieder.

Friedlich nun - wieder eingefügt - ins Ganze - seines ganzen Seins. Angenommen, verstanden, angekommen.

 

 

Wieder zuhause

&

seine Farbe spricht:

 „bitte erinnere dich an mich.“

 

© Alena Alexandra Serafina

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